Die Geschichte der Schokolade
Die Geschichte der Schokolade beginnt für den Europäer im Jahre 1528. In diesem Jahre kehrte Hernando Cortez (1485 - 1547) nach Spanien zurück. In den Jahren zuvor hatte er im Auftrage der Spanischen Krone Mexiko unterworfen und dort ein grausiges Blutbad angerichtet. Sein Kaiser nun, Karl V., war es, der als erster Europäer von diesem neuen Getränk kosten durfte. Den Azteken, bei denen Cortez die Schokolade kennenlernte, war der herbe Trank schon lange bekannt. Seine Geschichte verliert sich in grauer Vorzeit. Damals, als die Tiere noch sprechen konnten, stahlen die Waldameisen den Göttern die Kakaobohne aus deren Tempel und brachten sie den Indianern des tropischen Urwaldes. Mehr noch: sie lehrten sie, die Bohnen über dem Feuer zu rösten, sie zwischen zwei Steinen zu zermahlen und sie, mit Honig vermischt, zu geniessen; kein Zweifel, das musste der Trank der Götter sein. Ob da der Wind- und Mondgott Quetzalcoatl seine Hände mit im Spiel hat, wie eine andere Legende behauptet, ist da völlig unerheblich. Tatsache ist, dass den Azteken der Kakaobaum heilig war und sie an seinen Göttlichen Ursprung glaubten. Sie werden schon gewusst haben warum, denn: der Kakao war ihnen nicht nur Nahrungsmittel, sondern er diente ihnen auch als Schönheitskosmetik, ja als Heilmittel gar. Ueberdies war die Kakaobohne ein anerkanntes Zahlungsmittel, wie uns die erhaltenen alten Steuerlisten lehren. Für 10 Bohnen gab es ein Kaninchen, 50 Bohnen musste einem Käufer eine Sklavin wert sein und 100 kostete ein Sklave. Kakao war im wahrsten Sinnne des Wortes das braune Gold der Azteken. Dass Montezuma II., der prachtliebende Aztekenfürst, sich bei ausgefallenen Gelagen 50 Krüge mit Kakao servieren liess, erscheint uns heute unvorstellbar. Cortez, der nach seiner Landung in Mexiko bald verstand, den Aztekenfürsten zu entmachten, machte sich die nährende Eigenschaft des Kakao zunutze: Die bei kleiner Flamme geriebene Kakaomasse liess sich nämlich in grosse Blätter verpacken und war so nahezu unbegrenzt haltbar. Auf diese Weise konnte der spanische Eroberer immer weiter in den Dschungel vordringen, ohne aufwendige Verpflegungstransporte mit sich führen zu müssen. Seinen Soldaten wird diese verordnete Nahrung wohl kaum geschmeckt haben; die Azteken würzten den ohnehin herben Kakao mit Pfeffer, Paprika, Mais und Vanillin. Die nach Mexiko einwandernden Spanier hingegen sahen das ganz anders; sie waren ganz versessen auf die dort landesübliche Zubereitung des Kakao. Die Spanier aber auch waren es, die den Kakaogenuss geradezu revolutionierten: ein Höfling soll es gewesen sein, der auf die Idee verfiel, den Kakao mit Zucker abzuschmecken. Zucker jedoch war ein Rohstoff, den die Spanier in ihren amerikanischen Kolonien anpflanzten, um ihn hernach nach Spanien zu importieren. Beide Rohstoffe, Zucker und Kakao, waren zu der Zeit nahezu unbezahlbar. So war das Vergnügen, Schokolade zu geniessen, eines, das ausschliesslich Adligen vorbehalten war. Daran änderte sich auch nichts, als spanische Juden zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Geheimnis der Schokoladenherstellung nach Frankreich auf ihrer Flucht vor der Inquisition mitnahmen. Wohl breitete sich die Schokolade über ganz Europa aus; da sie aber weit teurer als die anderen beiden Modegetränke Kaffee und Tee war, blieb sie für die durchschnittliche Bevölkerung nicht bezahlbar. Um so mehr schätzten Wohlhabende und Adlige das Getränk. Sie waren es, die einen regelrechten Kult darum entwickelten. Galt der Kaffee als Getränk von Kaufleuten, die seine anregende Wirkung zur Leistungssteigerung nutzten, so rief der Gedanke an Schokolade weniger die Vorstellung von Arbeit, als vielmehr die von Müssiggang hervor. Grund dafür waren Schokoladengesellschaften, die man im orientalisierenden Stil bei Hofe abhielt, aber auch die Tatsache, dass Schokolade gerne von feinen Damen zu Frühstück im Bette getrunken wurde. Bereits stei ihrem Bekanntwerden in Europa bediente man sich gerne kostbarster Trinkgeräte. Beliebt war das kostbare Porzellan, das aus China importiert werden musste. Das änderte sich, als man seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts in der Lage war, Porzellan in Europa herzustellen. Die Auftraggeber der neugegründeten Manufakturen waren zur Hauptsache Adlige und selbstverständlich wurden auch eigene Schokoladenservices mit eigenen Formen geschaffen. So bildeten sich typische Formen für Schokoladentassen und Schokoladenkannen heraus, deren praktische Orientierung ersichtlich wird, wenn man einen Blick auf die Zubereitung der Schokolade zu der Zeit wirft. Grundbestandteil einer Trinkschokolade war die Schokoladenmasse. Alte Rezepte geben darüber Auskunft, dass sie aus Kakao, Zimt, Pfeffer, Nelken, Vanille oder Anis bestand. Das Ganze wurde auf einem Reibstein zu einer Masse vermischt und blockweise verkauft. Später wurde die Schokolade dann geraspelt und mit Wasser, Milch oder Wein verquirlt. Dabei entstand ein äusserst schaumiges Getränk. Aus dem Bedürfnis heraus, mehr Schokolade als Schaum in der Tasse wissen zu wollen, entstanden Schokoladentassen, die schmal und hochwandig waren. Bis auf den heutigen Tag hat sich an der grundsätzlichen Form einer Schokoladentasse nichts geändert. Für die Schokoladenkannen wurden zylindrische Formen typisch. Silberschmiede schufen hingegen für die Schokoladenkannen auch birnenförmige Kannenkörper. Zwei Besonderheiten bei Schokoladenkannen geben weiteren Aufschluss darüber, wie in dieser Zeit Schokolade zubereitet wurde: Schokoladenkannen aus dieser Zeit verfügen stets über eine Oeffnung im Deckel. Auch stehen ihre Griffe zumeist weit ab. Beides war erforderlich, da die Schokolade in den Kannen zubereitet wurde. Die Kanne stand dabei auf einer kleinen Feuerstelle, so dass die Schokolade stets erhitzt blieb. Der abstehende Griff war also ein Feuerschutz, während das Deckelloch notwendig war, um einen Quirl hindurchzustecken. In dieser aufs Höchste verfeinerten Kultur spiegelt sich deutlich wider, dass Kakao nur wenigen Begüterten zugänglich war. Schokoladenkultur ist bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eine höfisch orientierte und geprägte Kultur. Die Schokolade wurde zunächst hauptsächlich in Apotheken verkauft. Schliesslich schrieb man ihr den einen oder anderen medizinischen Nutzen zu. Am faszinierendsten mag sich wohl die Ueberzeugung ausgenommen haben, dass Schokolade ein erotisches Stimulans sei. Damit jedoch war es in der Mitte des 18. Jahrhunderts vorbei. Seit 1663 ist ein auch heute noch sehr beliebtes Naschwerk bekannt, die Praline. Ein anonym gebliebener Koch schuf sie zu Ehren des französischen Herzogs Choiseul du Plessis-Praslin. Auch wurden vereinzelt Schokoladenrollen und -kuchen "nach spanischer Art" feilgeboten. Nach und nach wurde die Schokolade so das Gut von Köchen, Konditoren und Confiseuren. Während sich im 18. Jahrhundert die höfische Kultur mehr und mehr verfeinerte, verbesserte sich der Prozess der Schokoladenherstellung zusehends. Die ersten Produktionsstätten wurden gegründet, zunächst als kleine Handwerksbetriebe. Doch Schritt für Schritt wurde die Schokoladenherstellung mechanisiert. 1790 wurde erstmals Schokolade mit Hilfe einer Dampfmaschine hergestellt. Die Bezeichnung "Dampfschokolade" sollte sich im 19. Jahrhundert als sehr werbewirksam erweisen. Für die Entwicklung der Schokolade, so wie wir sie heute kennen, war das 19. Jahrhundert von massgeblicher Bedeutung. Gleich zu Beginn, im Jahre 1828, machte der Holländer C.J. van Houten eine bedeutende Erfindung. Er presste der Kakaomasse das Fett ab und schuf so die Grundlage des modernen Kakaogetränkes. Mithin hatte sich auch die Ess-Schokolade ihren festen Platz auf den Gaumen der Schokoladenliebhaber erobert. Bekannt war die Ess-Schokolade zwar schon seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert, doch war, wenn man bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts von Schokolade sprach, in der Regel die Trinkschokolade gemeint. Schweizer Schokoladenherstellter waren es, die der Schokolade zu ihrer heutigen Geschmacksqualität verhalfen. Bereits 1792 werden die Schweizer Gebrüder Josty lobend erwähnt, die in Berlin Schokolade herstellten. Noch gab es in der Schweiz keine Schokoladenfabrik. Ab 1819 wird auch in der Schweiz Schokolade hergestellt, und zwar von François-Louis Cailler. In der Folgezeit werden von Schweizer Schokoladenherstellern bedeutende Entdeckungen gemacht: Beginnen wir mit Henri Nestlé: Durch ein von ihm entwickeltes Kondensierungsverfahren wurde die Herstellung von Milchpulver ermöglicht. Diese Produkt ist seit 1868 in der Schweiz zu kaufen. Damit war die Grundlage für eine weitere bedeutsame Entwicklung geschaffen, die wieder von einem Schweizer - Daniel Peter - gemacht wurde, nämlich die Milchschokolade. 1875 wurde diese bahnbrechende Kreation auf den Markt gebracht. Nur wenige Jahre später, etwa um 1879, entdeckte Rodolphe Lindt in seinem Betrieb, dass der Geschmack der Schokolade sich entschieden verbessern liesse, wenn man sie tagelang um- und umrührt. Die Idee des Conchierens war geboren. Mit seiner Idee, der Schokoladenmasse obendrein noch Kakaobutter hinzuzufügen, brachte er die erste Schokolade auf den Markt, die auf der Zunge zergeht. Mit solchen Erfindungen und Verbesserungen setzten Schweizer Schokoladenhersteller Massstäbe, die den Ruf der Schweizer Schokolade in alle Welt trugen. Durch die immer weiter fortschreitende Technisierung in der Herstellung ist die Schokolade in unseren Tagen vom Luxusartikel zu einem für jeden erschwinglichen Nahrungs- und Genussmittel geworden. Das allerdings hatte seinen Grund nicht nur in den verbesserten und vereinfachten Produktionsmethoden. Damit aus der Schokolade eine süsse Nascherei wird, ist Zucker vonnöten. Der aber war ursprünglich ein seltenes Luxusgut. Kostbare, innen vergoldete Silberdosen liess man fertigen, um ihn würdig aufzubewahren. Abschliessbar mussten sie sein, diese Dosen, um den Zucker vor dem Zugriff der naschsüchtigen Dienerschaft zu schützen. Teuer war der Zucker, weil er importiert werden musste. Im Verbraucherland wurde er dann raffiniert. Gewonnen wurde er aus dem Zuckerrohr. Bis Andreas Sigismund Maggraf entdeckte, dass die Runkelrübe den gleichen Zucker enthält wie das Zuckerrohr. Das im Jahre 1747. Die europäische Antwort auf den teuren Import war gefunden und setzte sich immer mehr dagegen durch. Mit dem Industriezucker war also eine weitere Möglichkeit gefunden, preisgünstig Schokolade zu produzieren. Immer mehr Hersteller buhlten seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts mit ihren Schokoladenprodukten um die Gunst der Kunden. Mit der nun einsetzenden Werbung entstanden neue Aspekte der Schokoladenkultur. Man umwarb den Kunden mit bunten Bildbeigaben, aus denen später ganze Serien wurden, die Sammelbilder. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wird für die Schokolade auch durch Plakate und Emailschilder geworben. Aufwendige Verpackungen halten immer noch den Hauch von Luxus aufrecht. Eine technische Erfindung erweiterte ab 1887 den Vertrieb der Schokolade. In diesem Jahr stellte die Kölner Weltfirma Stollwerk ihren ersten Schokoladenautomaten auf. Ein breites Publikum hatte sich der Schokolade bemächtigt und sie für sich vereinnahmt. Sie war nahrhaftes Getränk, schmackhaftes Nahrungs- und Genussmittel, kleine Alltagsfreude und Galanterieware. Ihr Weg an die Spitze der Naschereien war unaufhaltsam und wurde durch immer höhere Qualitäts- und Reinheitsanforderungen unterstützt. Die Geschichte der Schokolade ist und bleibt eine unendliche Geschichte. Ihre geschmackliche Entwicklung bleibt nicht stehen. Neue Rezepturen und Kreationen bieten dem Verbraucher das Produkt Schokolade in einer zuvor nie gekannten Vielfalt. Nach wie vor steht Schweizer Schokolade dabei an der Spitze. mehr